Die schwarze Kunst

Schmähungen und Lügen haben sich in den russischen Medien derart etabliert, dass man „schwarze PR“ sogar an der Universität lernen kann

aus Moskau MATTHIAS BRAUN

Der Plot wirkte überzeugend. Dem russischen Kommunistenführer, Gennadi Sjuganow, sei ein Museum gewidmet worden, berichtete das russische Staatsfernsehen. Dazu zeigte der kremlnahe Sender ORT die passenden Bilder aus einem Dorf nahe Orjol: ein russisches Landhaus. Drinnen eine Sjuganowbüste. Drum herum weiterer Schnickschnack aus dem Privatbesitz des Parteichefs. Ein Wallfahrtsort für Ewiggestrige.

Und eine Fälschung. Sjuganow tobte. Denn wer die Dumawahlen am morgigen Sonntag gewinnen will, darf sich nicht feiern lassen, sondern muss jene Demut zeigen, die Präsident Wladimir Putin beständig vorführt. Und so verfolgte der staatlich lancierte Report aus Orjol allein den Zweck, den Kommunisten Wählerstimmen abzujagen.

Gezielte Lügen gehören im postsowjetischen Russland zur politischen Folklore. Die mediale Böswilligkeit hat sich so weit etabliert, dass angehenden PR-Strategen und Journalisten die halblegalen Kniffe der so genannten schwarzen PR an den Moskauer Universitäten erlernen können.

„Unter schwarzer PR verstehen wir Wahlkampfmethoden, die das Image des politischen Gegners beschädigen“, sagt der Moskauer PR-Berater Fedor Schulitow. Seine „Agentur für professionelles Management und Consulting“ betreut den Wahlkampf mehrerer Duma-Kandidaten. Ob er sich selbst schwarzer PR-Methoden bediene, will Schulitow nicht sagen.

Trotzdem wissen alle, wie es geht. Halblegales wird aus Nowosibirsk berichtet. Dort druckte die Wochenzeitung Argumenty i Fakty neben das Interview mit einem freien Kandidaten eine Karikatur, die diesen als Esel zeigt. Das Geld für die Schmähanzeige kam aus der Wahlkampfkasse des politischen Gegners. Zum Standardrepertoire schwarzer PR indes gehört es, die eigenen Wahlplakate zu beschmieren, um dies dem Gegner in die Schuhe zu schieben. Gern zitiert wird auch das gefälschte Flugblatt eines Jabloko-Kandidaten, das dessen Gegner in Umlauf brachten. Auf diesem drohte der Liberale mit Selbstmord, falls er nicht gewählt werde.

Derlei Geschichten in den Medien zu lancieren, kostet Geld. Die 32 registrierten Parteien werden nach Angaben der Tageszeitung Wedemosti diesmal rund 1,8 Milliarden Dollar ausgeben. Sechsmal mehr als erlaubt. Geschätzte 10 Prozent werden für schwarze PR ausgegeben.

In der Tat scheint das Geld dort besser angelegt als in ausgefeilten Wahlprogrammen. In der russischen Präsidialdemokratie könne die Duma die Regierungspolitik kaum beeinflussen, sagt der Politologe Nikolai Petrow vom Moskauer Carnegie-Zentrum. Wer in der Duma sitze, dem bleibe nur, die Gesetze des Kreml abzunicken oder folgenlose Kritik zu üben. „Weil eigene Programme nicht durchsetzbar sind, konkurrieren im Wahlkampf keine Ideen, sondern ideologische Klischees“, sagt Petrow.

Doch selbst in diesem scheindemokratischen Spiel sind die Trümpfe zwischen Opposition und Kreml derzeit ungleich verteilt. Das landesweite Fernsehen befindet sich fest in Kremlhand. Außerdem habe es der Kreml geschafft, die im Land verbliebenen Oligarchen ruhig zu stellen: „Die Zeitungen und TV-Stationen unterscheiden sich derzeit nur mehr in ästhetischen Details.“

Inzwischen führt der Pressefreiheits-Index von „Reporter ohne Grenzen“ Russland auf Platz 121 von 139. Wer die abendliche Nachrichtensendung des Staatsfernsehens verfolgt, weiß, warum. Die ersten drei Sendeplätze von „Wremja“ sind fast täglich dem Tagewerk Putins vorbehalten. Nicht von ungefähr fragt eine Russin in einem Wahlwerbespot von „Einiges Russland“: „Warum sollen wir Politiker wählen, wenn wir einen Präsidenten haben?“ Zur Antwort erklingt die Nationalhymne.